25.04.2017 Muruzabal-Estella



Schritte: 32.156
Strecke: 25,79
Höhe: 564m
Zeit: 10:31  Ich werde einfach nicht schneller.

Muss ja weiter, also mal die Statistik gleich zum Beginn. Moin erstmal. Nacht war etwas kalt, Knochen sind unverändert (zumindest im Liegen, beim Gehen wird das schon werden)! Ich hole mir noch eine Decke und mach es mir noch 30 Minuten zum richtig wach werden etwas wärmer. 6:40 Uhr und so langsam erwacht auch der Rest im Haus.

Wer kein Bock hat auf AUA AUA UND SCHMERZEN, der braucht ab hier nicht weiter zu lesen :-)
Ne ne so schlimm wird es auch nun wieder nicht.

Kurz etwas frühstücken und es kann los gehen. Am fünften Tag hab ich auch mal richtig Lust nicht alleine zu starten und mit Nobby geht es sich die ersten 5-6 km bis Puente del Rain und auch bis knapp dahinter bis auf kleine Ausnahmen eigentlich ganz gut. Bei einer hohen Auto Brücke unter der wir durch gehen ist schlagartig das Knie wieder da und meldet sich mal ganz laut. Ich muss stoppen und Nobby verabschiedet sich um alleine weiter zu gehen.


Ich bleibe da nicht lange sitzen, will mich nur kurz neu sortieren und wegen des Knies hole ich mal lieber die Stöcke heraus. Nach ein paar Kurven kommt, wie sollte es auch anders sein, mal wieder ein kleiner Berg. Und wo es rauf geht, geht es mit Sicherheit auch wieder runter.

Auf den nächsten 5 km wird es nur eine reine Quälerei. Beim Anstieg treffe ich auf Harald, der auch nicht wirklich rund läuft!  Da ich kaum merklich schneller bin, bleiben wir zusammen und gehen bis zum nächsten Ort erstmal gemeinsam. Mal wieder eine gute Unterhaltung! Wir jammern uns gegenseitig die Ohren voll, was uns so alles weh tut und warum zum Geier überall steht, wie toll doch der Weg ist... Harald meint dann: ,Ist doch scheiße hier, nur hoch und runter mit Geröll, aber davon schreibt ja keiner was!". Das kann ich nur bestätigen und so jammern wir uns gegenseitig bis zum nächsten Ort voran. Hier wird erstmal an einem Brunnen eine gemeinsame Kaffeepause gemacht. Für zwei Frauen aus England koche ich nach ihrer Bitte auch noch etwas Wasser auf und so sitzen wir auf der Bank, essen und jammern. Er hat auch schon eine dicke Blase und musste dort einen Faden durchziehen. Wie gut das ich davor bis jetzt noch verschont geblieben bin.

Er ist in Roncsevales gestartet, weil er sich die Pyrenäen nicht zugetraut hat. Er hat auch gar keinen Bock mehr: " Ich hab doch nicht jahrelang gearbeitet, um mir das jetzt anzutun". Komm weiter! Das nächste Dorf sieht größer aus und ist auch schon ins Sicht und Schmerzmittel brauche ich auch noch eine Großpackung. Also machen wir uns weiter mit Jammern auf den Weg. Als er nicht mehr kann, muss ich weiter, weil ich dringend eine Apotheke brauche. Im Ort angekommen, spreche ich eine Spanierin an: "Buenos dias senora, una bregunta. Hay una Farmacia cerca de aqui?". Bei der Frage glaubt die, das ich perfekt Spanisch kann und sie legt gleich mal richtig los, nur leider verstehe ich natürlich fast gar nix, so schnell wie die redet. Ich hatte mir den Satz ja auch schon beim Marsch ins Dorf im Kopf zurecht gelegt.

OK nachdem sie merkt, das ich offensichtlich nicht wirklich verstehe was sie mir erzählen möchte führt sie mich eben netterweise einfach direkt mal selber dort hin. Echt zuvorkommend die Leute hier. 

Als ich mit meinen Painkillern aus der Apotheke komme, sitzt dort Harald und wir trinken erstmal ein Bier zusammen in einer Bar auf dem Platz. Soll ja auch Spaß machen der Weg und Pausen will ich ja auch mehr machen... Ich schildere, während wir dort sitzen, den Aufstieg bei den Pyrenäen, so wie ich ihn erlebt habe, mit Rolandsbrunnen usw.

Als wir fertig sind, steht eine Frau auf und kommt auf uns zu...

"Entschuldigung, aber ich kam nicht umhin, ihr Gespräch mit anzuhören. Ich würde Ihnen gerne etwas mit auf ihren weiteren Weg geben!". OK, dann gib mal her, man ist ja offen für alles! Das Geben war dann verbal: "Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Seele auch noch auf den Weg findet!"


Wat?


Wenn meine Seele schlau ist, sitzt die zuhause auf dem Sofa und sacht sich: "Lass den Körper mal laufen! Ich trinke lieber noch ein Bier und lege die Füße hoch!" Ich glaube, es hackt, was hat die denn genommen... Sehe ich etwa aus wie ein seelenloser Zombie? Was die mir damit eigentlich sagen wollte, werde ich wohl nie erfahren. Aber da ich Benehmen habe, sage ich ihr nicht, was ich ihr gerne mal mit auf den Weg geben möchte. Prinz Eisenherz hatte die Frisur und die hat ihm auch nicht gestanden und nach 20 Jahren kann man auch schon mal wieder zum Friseur gehen, denn das mit dem Kochpott auf dem Kopf und drum herum schnibbeln macht man schon lange nicht mehr und wenn kommt eh immer nur ein Prinz Eisenherz Helm dabei heraus... 

Über so einen Mist könnte ich mich noch viel mehr aufregen! Oder war es, weil wir als Pilger zum Mittag ein Bier getrunken haben?

Was bilden sich den solche Heiligen ein, anhand von ein paar Gesprächsfetzen und so einem kurzem Momentausschnitt so ein Urteil zu fällen und wer jetzt denkt "ja du fällst ja auch über sie ein Urteil" Jup, das stimmt wohl, aber die Frisur ist ihr ja nicht erst vor 5 Minuten gewachsen... 


Völlig egal! Ich weiß, wo meine Seele ist! Wenn, dann hat jeder Körper eine und dann ist die auch da, wo sie hin gehört und das ist bei mir und wer das nicht sieht...

 


Beim Abstieg aus diesem wunderschönen Flecken kann Harald nicht mehr und verabschiedet sich: "Machs gut, ich glaube aber nicht, dass wir uns wieder sehen!". Tja, so wie es aussieht, habe ich gerade meine ersten Abbrecher getroffen. Angeblich sind es ja fast 70%! Circa 1/3 aller, die den Weg gehen, brechen nach 3-4 Tagen ab!


Einfacher wird es jetzt nicht! Da kommen wieder ganz tolle Abschnitte und seit 3 km gehe ich mit einem steifen Bein, da ich das Knie nicht mehr bewegen kann oder besser will. Bis Lorca ist es nicht mehr so weit, und irgendwie komme ich da auch noch hin. Eine Neuseeländerin überholt und fragt nach meinem Befinden.

Ich muss ja von hinten echt verboten aussehen mit meinen 2 km/h. Wir reden kurz. Ich sage ihr:" Bis auf das Knie ist alles okay!" und sie wünscht mir noch, dass ich es gut bis Lorca schaffe. Ab und zu regnet es heute auch ein bisschen, bewölkt und blauer Himmel wechseln sich ab. 

Kein Scherz, irgendwann hält ein Auto neben mir und ein älterer Spanier bietet mir wild gestikulieren mit Andeutungen in Richtung von meinem Knie an, mich mit seinem Auto in den nächsten Ort zu fahren. Echt nett, aber ich lehne ab. Die Spanier sagen eigentlich, wer den Weg nicht aus eigener Kraft schaffe, der hat es auch nicht verdient - und dann will der mich fahren. 

Ich frage mich erneut, wie mein Laufstil denn so von außen für andere aussieht...

Naja, dauert nicht wirklich lange, bis ich meine Entscheidung dann doch ein wenig bereue.

Im Regen komme ich in Lorca völlig fertig an und hinke zum Brunnen in der Ortsmitte, um meine Flaschen aufzufüllen. Ein paar Meter weiter kommen die Herbergen und ich setzte mich erstmal auf eine Bank.


Geschafft!




Irgendwie fühlt sich das nicht richtig an, ich bin noch nicht da, wo ich sein möchte. Gestern nicht das Ziel erreicht und heute wieder nicht! Gestern 5km, jetzt 9km! Da komme ich ja nie in Santiago an.

Scheiß egal - es tut seit fünf Stunden alles da unten weh! Da kommt es auf ein paar Stunden mehr auch nicht an.

Also zumindest in den nächsten Ort, muss ja nicht bis Estella klappen. 

Neues Wasser und mal wieder den Schweinehund besiegt! Man könnte fast sagen, es läuft sich gut. Könnten 3-4 km/h sein. Eh ich mich versehe, taucht ein Ort auf. Ich freue mich, mal so schnell einen Zwischenstopp erreichen zu können. In Villa... wird gleich das Wasser aufgefüllt und kurz nach Herbergen geschaut... Ach Quatsch, die 3,5 km gehen jetzt auch noch irgendwie. Normal, also zuhause, wäre ich damit schon längst beim Artzt gewesen und hier läuft man einfach immer weiter. Bekloppt! 

Ein Zimmer hatte ich im letzten Ort schon mal über Booking für Estelle reserviert und mit Ziel geht es auch viel besser. 

Erstelle ist ein schöner Ort, zieht sich sehr und ich treffe kurz auf die beiden Mädels aus Pamplona, die sich, wie fast jeder mittlerweile, nach meinem Befinden erkundigen. 10,5 Stunden, wo andere 4,5 Stunden brauchen! Sagt ja schon alles! Sie wünschen viel Glück und ich hinke weiter Richtung Hotel. Die Herberge, wo Nobby ist, hätte ich ja auch nehmen können!  Aber: Die anderen sind auch da! Nee, bitte nicht die "Pfanni Gais"... Also ab ins Hotel und leider kein Bier mit Nobby, aber so kaputt wie ich mich fühle, werde ich mal versuchen einfach nur viel Schlaf zu bekommen.

Das junge Mädel an der Rezeption erklärt mir erstmal:" Ja, der Jakobsweg ist ja auch kein Pappenstiel! Und die meisten von euch glauben, das haben so viele andere geschafft, dann schaffe ich das auch..."

Naja, das lasse ich mal so stehen, ohne mit ihr weiter zu diskutieren!

Dass sie grundsätzlich damit Recht hat, ist ja auch völlig okay. Sonst würden ja nicht 70% in den ersten 3-4 Tagen abbrechen, aber bei ihr kommt das so rüber, als wenn die  Spanier das alle einfach so können und nur die aus anderen Ländern das auf die leichte Schulter nehmen. Ja klar! Da werden wohl aus jedem Land mal ein paar dabei sein, die es nicht packen und das werden anteilmäßig genau so viele von den Spaniern wie aus dem Rest der Welt sein. 50% auf dem Weg sind Spanier. Mag sein, dass die weniger schwächeln, weil die das mit der Muttermilch aufsaugen! Aber rein rechnerisch müssen wohl auch ein paar von denen abbrechen, oder ich hab in Mathe irgendwas verpennt...




Erstmal pennen und dann neu ordnen. Morgen einen Tag Pause oder Bus, mal schauen was die Nacht bringt. 

Nee, Bus geht gar nicht!  

In 2 km kommt der Weinbrunnen, den kann ich ja nicht auslassen...

Morgen versuche ich mal 1 1/2 Etappen. Es ging ja heute auch mehr als eine! Torres del Rio soll mein Ziel sein. Ich höre jetzt auch auf, einfach los zu laufen und die Standardetappen zu machen, sondern schaue jetzt nach der Herbergsliste und stelle mir danach meine Route zusammen.

Bein einwickeln, damit es warm bleibt und mal schauen wie es morgen läuft. Erkältung scheint auch gerade zu kommen... Läuft einfach nicht rund gerade. Wenn es nicht geht, dann wird nach dem Weinbrunnen auf den Bus gewechelt (ich hoffe mal nicht).


N8