05.05.2017 Villacazar de Sirga - Calzedilla de la Cueza


Schritte: 31.020
Strecke: 23,5 km
Zeit: 6:27
Höhe: 158m 16 Stockwerke
 
Die Nacht war etwas kühl, aber okay. Das alte Holzhaus ist sehr hellhörig, und von daher ist auch hier die Nacht, wie immer, recht früh zu Ende.
Auf dem Weg zur Bar komme ich noch am Schlafsaal und an zwei Rucksäcken vorbei, die transportiert werden sollen. Ein Foto zum Vergleich, wo ich sonst hätte schlafen sollen, muss jetzt sein.
Ist alles sehr sauber und man hätte auch hier sicher gut geschlafen.


Die 5 km bis Carios del Condes sollten jetzt kein Probleme sein, obwohl die Pilgerautobahn auch am frühen Morgen nicht besser aussieht.



Ich komme gut voran, aber man fühlt sich hier, als wenn einen der Weg aussaugen würde. Man geht hier leer, ohne Gedanken - weil der Weg auch nicht inspiriert, um an irgendetwas zu denken.

Kurz vor dem Ort bekomme ich dann eine WhatsApp-Nachricht von 'meinem Hasen':"...und du hast es wohl so gewollt...".

Seit dem ersten Tag schicke ich jeden Tag eine Blume vom Weg nach Hause. 1 km vor Carion del Condes bekomme ich folgendes Foto:



So alleine nach 15 Tagen auf diesem öden Weg, der Kopf ist leer und es brechen alle Dämme, einfach zu schön zu sehen wie zuhause der Weg auch seinen Platz im Alltag gefunden hat und wie an einen gedacht wird.

Puuh, jetzt erstmal wieder sammeln und im Ort die Vorräte für die nächsten 18 km auffüllen.


Eine kleine Kirche wird noch besucht und eine Kerze angezündet. Die Kirchen hier sind wirklich sehr beeindruckend. Drinnen läuft leise Musik, und das gibt dem Ganzen eine ganz besondere friedliche Stimmung.



In einer Bar noch etwas Kuchen und Espresso, kurz schreiben und dann auf zu den, wie überall beschrieben, spirituelle und körperlich härtesten Abschnitt vom Camino-Frances.

Bin sehr gespannt auf die 18km ohne alles...


Der Weg verlässt den Ort relativ unspektakulär über den Weg, den auch die Autos nehmen. Das geht auch die nächsten 5 km so weiter. Über eine Brücke und einem Kreisverkehr folgt der Camino mit 200 m Abstand einer Autobahn die rechts hinter einem Grünstreifen immer zu sehen ist. Eine junge Familie auf Fahrrädern mit zwei Kindern überholen mich. Verrückt, dass die so eine Tour mit den kleinen Kindern machen. Der Große fährt am Fahrradanhänger selber mit, und der Kleine ist bei Papa im Anhänger... und dann womöglich in die Massenherbergen! Nee, das würde ich nicht mit meinen Kindern machen!



Die Landsstraße biegt nach rechts ab, um die Autobahn zu überqueren. Der Pilgerweg geht jetzt auf die letzten 12 km geradeaus weiter.

Es ist echt kalt und windig heute und der Weg geht unaufhaltsam immer geradeaus durch die Pampa. Spirituell fühle ich hier noch gar nix. Dafür sind mir auch einfach zu viele andere Pilger unterwegs.

Ständig wird man überholt oder man geht viele Kilometer mit ein paar Hundert Metern Abstand anderen Pilgern hinterher.



Nach ca. der halben Strecke kommt die einzige Bank auf den 12 km und ich muss dringend eine Pause einlegen. Schuhe aus und das Triebwerk mal abkühlen lassen. Bisschen was essen und nach 20 Minuten geht es wieder neuen Mutes weiter. 

Alles klar, der Wind hat gedreht und ist auch deutlich stärker geworden. Jetzt geht es also die nächsten 1,5 Stunden mit Gegenwind zum Etappenziel. Der Staub wird so aufgewirbelt, dass ich mir einen Gesichtsschutz bastle und mich fühle wie ein Turtle, der sich in sein Haus zurück gezogen hat.

Unglaublich auch, wie die Felder hier aussehen. Die scheinen ja nur aus Steinen zu bestehen. Die Bauern in der Meseta haben es sicher nicht leicht.



Da es die ganze Zeit schon nach Regen aussieht, fängt es jetzt auch wirklich an, leicht zu regen. Über eine Stunde werde ich noch brauchen. Also muss ich mal die Jacke wechseln, sonst ist die Fleecejacke kladdernass, wenn ich ankomme. Der Schirm hat überhaupt keine Chance. Bei dem Wind macht der sofort schlapp und muss in der Herberge erst von mir wieder repariert werden. Kurz nach dem ich endlich den Ort erreicht habe, der auch mal wieder wie aus dem Nichts aufgetaucht ist, fängt es dann auch richtig an zu regnen. Ich bin heilfroh, schon da zu sein.

Die Herberge ist - na, sagen wir mal - billig! 5 Euro für die Nacht! Da kann man ja gar nix zu sagen. Bei dem Anblick von den 50 Betten im Dachgeschoss mit hier und da ein wenig Schimmel und dem Geruch von ca. 25 Pilgern, die schon da sind... da will man auch gar nix mehr sagen! Ich habe mein Bett direkt am Fenster neben der Heizung. Das ist eines der letzten unteren Betten und ich kann zumindest meine Wäsche trotz des Sauwetters gut trocknen.

Duschen, Wäsche waschen, Bier trinken, schreiben. Ich weiß wirklich nicht, was ich mit dem Rest vom Tag anfangen soll. Am liebsten würde ich einschlafen, aufwachen und weiter gehen. Essen will ich auch nur eine Kleinigkeit und nicht groß das Pilgermenue. Ich glaube, dass mein Gefühl, wie hier das Menü schmeckt, mich definitiv nicht täuscht. Da werden es wohl ein paar Pommes oder so. Auf jeden Fall 

irgendwas, bei dem der Koch nicht viel falsch machen kann...


16:40 Uhr! Was mache ich bloß hier so lange?  Na, mal schauen, wo es morgen hin geht! Wie das Wetter wird usw. 

.


Nach einer kleinen Pause mit ein wenig Dösen gehe ich mal eine Runde durch den Ort und telefoniere mit Justin und Ela. Die beiden sind auf dem Rückweg von Hamburg und mit Freisprechen ist die Verständigung nicht ganz so toll bei dem Wind hier im Ort.

Aber einfach schön, immer mal wieder die Stimmen zu hören und zu wissen, dass Zuhause alles in Ordnung ist. Der Ort sieht aus wie aus irgendeinem Sergio Leone Western! Es fehlt nur noch die Strohrolle, die über die Straße weht. Komplett am Zerfallen scheint der Ort und von jeglicher Zivilisation abgeschieden!

12 Grad - in kurzer Hose und Flip-Flops führt dann doch so langsam dazu, das ich dann nach 30 Minuten meine Runde doch beenden muss. Aber nicht, ohne noch ein Foto der Herberge von außen zu machen. Das Fenster ganz links oben ist, glaube ich, meins.



Ich nehme alles zurück, was ich über die Kochkünste des Kochs vermutet hatte. Burger mit Pommes und Cola für 5 Euro gab es nicht. Also musste ich etwas anderes nehmen. Vom Menü wurde mir "einTeller mit allem" angeboten. Okay, es war lecker, es war viel zu viel und mit Brot und Trinken 6 Euro.



Da kann ich dann aber gleich richtig gut schlafen.

Und das Gewusel in dem Schlafsaal ist wirklich sehr interessant. Da wird zu zweit auf dem oberen Bett ein Picknick aufgebaut, es wird gelesen, geschlafen und geredet - aber alles bestimmt fünf mal leiser als in einem 8-Bett-Zimmer. Mehr als fünf mal soviele Leute, wie in den kleinen Zimmern, aber hier wird viel mehr Rücksicht aufeinander genommen.


Mein Fazit: je größer der Schlafsaal je wohler fühle ich mich in den Herbergen.


N8