15.05.2017 Camponaraya - Trabadelo



Schritte: 35.010
Strecke: 30,4km
Zeit: 8:39
Höhe: 96 St. 745m Hoch 645m Runter
Blasen: 0

Moin Moin! Der Fuß ist leider kaum besser, aber der Einstieg bis zum Camino Duro ist noch ein gutes Stück entfernt (ca. 15km). Ob ich dann die restlichen 10 km auf der Straße gehen möchte (das ist das Stück, was Hape als Katastrophe bezeichnet hatte. Er ist dort wild mit seinem Pilgerstab schwingend lang gelaufen, um die Autos auf Abstand zu halten) oder den Duro gehen werde, wird sich in ca. 4-5 Stunden zeigen.
Die Straße ist nicht mehr so gefährlich wie 2006. Inzwischen ist dort eine Abgrenzung für die Pilger, und eine Autobahn ist dort auch gebaut worden, was den Verkehr auf der Straße deutlich reduziert hat.

Die ersten Mitbewohner haben gegen 7:30 Uhr das Haus verlassen. Der Rest macht sich jetzt so gegen 8:10 Uhr in der Küche zu schaffen. Einschlafen werde ich jetzt eh nicht mehr, also mal mit Einpacken beginnen und das kann etwas dauern, da der Rucksack zum auslüften komplett leer ist. Im Anschluss noch ein paar Fotos von hier machen - für den Preis wirklich unglaublich und sicher eine gute Anlaufstelle, um sich mal 1-2 Tage lang Ponferada anzuschauen.


Fuck, Hölle, Fuck, Hölle, Hölle.

Was ein Weg...

Na klar muss ich den Duro laufen und lerne auf der Strecke William aus Dänemark kennen (das 'Fuck' ist von ihm). Super sympathischer Typ und wir waren beide froh, uns dort oben getroffen zu haben. Den großen Hund, der mich nicht aus dem Bergdorf lassen wollte, hätte ich gerne nicht getroffen.

Aber es war ein fantastischer Weg voller Schmerzen und grandiosen Ausblicken. Mit Abstand der beste Tag auf dem Camino!


Aber erstmal ankommen, Fotos sortieren, die Zeit in der Wanne genießen und dann später folgt der ausführliche Bericht.



Der Weg fängt ganz harmlos an. Die ersten 5 km gehen an einer Straße entlang, aber das ist nicht schlimm. Man merkt, dass nach Ponfadera wieder neue Pilger auf dem Weg sind - es ist deutlich voller als vorher. Um 9:00 Uhr loszugehen, bedeutet wie immer, im Pulk der Pilger aus dem Ort davor unterwegs zu sein. An einer Bank treffe ich im Vorbeigehen auf Tom, der sich gerade seiner Kleidung etwas entledigen will. Es ist aber auch wirklich warm heute! Okay, die nächste Bank der halbwegs ruhigen Ecke möchte ich ausnutzen, um selber Schuhe und Hose zu wechseln.



An einer Bushaltestelle in einem kleiner gemütlicher Ort mit einer schicken Kirche, bietet die Gekegenheit zum Pausieren und zum Wechseln der Kleidung, vor dem danach kommenden Anstieg.



An der Haltestelle wird auf Flip-Flops und kurze Hose gewechselt, was sich bei dem Wetter deutlich besser anfühlt. Dort treffe ich auch auf Daniele aus D, die, bevor sie als Lehrerinn anfängt zu arbeiten, noch eine spontane Auszeit auf dem Camino nehmen möchte. Sie möchte im nächsten Ort bleiben und ich erzähle ihr vom Camino Duro, und dass mein Ziel heute Trabadelo ist. Wir gehen die nächsten 7 km gemeinsam bis kurz vor Villafranca del Bierzo. Ich verabschiede mich in eine Bar und sie geht den Weg alleine weiter.

Nach der Bar kommt man in Villafranca del Bierzo an. Der Ort ist wirklich beeindruckend (das habe ich schon oft gesagt - aber es ist so! Wenn es nicht so ist, dann schreibe ich das ja auch).

Auf dem Weg gab es noch ein Foto vom meist fotografierten Haus auf dem Camino und von den vielen roten, süßen Kirschen, die hier schon Anfang Mai reif sind.



Im Villafranca del Bierzo wird dann auch gleich die Entscheidung fallen, ob ich den Duro gehe oder nicht. Zur Zeit habe ich noch keinen Plan und möchte die Abzweigung dazu einfach sehen und dann erst entscheiden.



Soviele Kirchen in einem Ort, soviele verwinkelte Gassen und alles zum Teil im Stil von Asterix und Obelix. Es ist unglaublich, dass es solche Orte wirklich gibt und welche schönen Ecken gerade Spanien doch hat.

Zwischenzeitlich bin ich mir in diesem doch sehr in die Länge gezogenen Ort nicht mehr sicher, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Ich muss fragen, aber alles ist gut - einfach nur immer weiter.

An einer Brücke treffe ich auf einen Typen, den ich heute schon dreimal überholt habe und wir kommen kurz ins Gespräch. Er ist Italiener aus Venedig, spricht kaum Englisch und ich kein Italienisch, aber irgendwie verstehen wir uns mit Händen und Füßen trotzdem sehr gut. Ein paar Meter hinter der Brücke sehe ich die Stelle, die ich von Bildern her kenne - und weiß sofort, dieser unscheinbare Weg, der da rechts hoch geht, ist der Einstieg in den Camino Duro.



Für mich ist, als ich den Weg sehe, sofort klar, dass ich den Duro gehen muss. Der Italiener zeigt mir noch das in 1m x 1m auf dem Boden stehende 'NO' und will wissen, warum ich das denn nicht verstehen will. Er geht die Straße und ich den Duro. Ciao!



Der Pfad geht wahnsinnig steil hoch auf einer Betonpiste, bis der Ort zu Ende ist (zumindest da oben) und beginnt mit einem sehr geröllhaltigen und felsigen Anstieg - der total irre ist! Unfassbar, wie schnell man hier an Höhe zulegt und wie schnell man von oben auf den Ort schauen kann. Es dauert nicht lange, bis mir jemand entgegenkommt, dem der Weg nicht gefällt und der lieber zurück auf die Straße will.

Nach über 2 km wird es endlich etwas flacher und ich brauche unbedingt eine Pause. Mein Puls ist dauerhaft bei 150 und ich bin kladdernass geschwitzt.

An ein paar verbrannten Bäumen finde ich etwas Schatten und lege mich mitten auf den Weg auf meinen Rucksack. Ich packe alles an Reserven aus, die ich noch dabei habe.



Ich muss leider feststellen, dass ich zuwenig Wasser dabei habe. Ich habe bei dem ganzen "Duro, Duro, Duro" ganz vergessen, meine Flaschen aufzufüllen. Tja, zu spät! Ich bin ganz alleine hier oben und zurück gehe ich sicher nicht. Da kommt nach ca. 20 Minuten Willam aus Dänemark zu mir und wir kommen sofort ins Gespräch. Er fragt, ob ich genug Wasser habe, denn er hat vergessen seine Flasche aufzufüllen...

Tja, ging wohl nicht nur mir so!

Er hat ein gutes Tempo und wir gehen gut 5 km weiter, immer in der Hoffnung, dass noch irgendwo eine Bar kommt, in der wir beide ein gemeinsames Bier trinken können. So gehen wir sehr schnell zusammen - immer weiter nach oben.

Irgendwann macht mein Bein zu und ich muss mich drosseln. Er will zuerst auf mich warten und langsamer gehen, aber ich sage nur: "Geh ruhig, wir sehen uns in der Bar!".

Nach weiteren 3 km muss ich stoppen, obwohl ca. 1 km entfernt ein Ort zu sehen ist.



Der Ausblick hier oben ist umwerfend. Unten kann man immer mal wieder die Strecke sehen, auf der es den normalen Weg entlang gegangen wäre. Immer an der Straße entlang, unter und über die Autobahn, auf einem schmalen für die Pilger angelegten Streifen neben der Straße.

 


Nach dem Stopp und einer Schmerztablette mache ich mich auf den Weg zum Dorf und der Bar..???

Dort gibt es eine Alberge, die noch in keinem Pilgerführer steht und wirklich ein Geheimtipp ist. Hätte ich nicht in Trabadela vorgebucht, wäre ich definitiv dort geblieben (27 km waren auch echt genug).

Ich komme und und werde schon erwartet: "Are you the german guy without water? Willam say that you come"...

That's Camino!

"Hey my friend I'm waiting to drink a beer!"

Der hat da wirklich 30 Minuten auf mich gewartet, um mit mir sein wohl verdientes Bier zu trinken!

That's Camino!

Die Frau die hier die Herberge betreibt ist sowas von nett und herzlich zu allen ihren Gästen, sie versorgt uns mit 2 Bier und macht mir noch ein Bocadillo.


Der Tag ist wirklich unglaublich und mit dem, was ich aufschreiben kann, kratze ich eigentlich nur an der Oberfläche, der Eindrücke und Erlebnisse die man an so einem Tag auf dem Weg erleben kann.


Whilliam will dort bleiben. Super Idee! Nur ich muss leider weiter. Mein halbes Bocadillo von hier im Rucksack verstaut trennen wir uns schweren Herzens und verabreden uns für morgen. Wir haben beide als nächstes Ziel O Cebreio gewählt. Mal eine etwas kürzere Etappe!

Der Weg nach unten führt erstmal durch das Dorf und am Ortsausgang kläfft ein riesiger Hund. Er rennt dabei nervös von links nach rechts... Muss das jetzt sein? Ich bin kaputt und der lässt mich nicht raus hier! Da ich meine Stöcke in der Hand habe und weiß, dass sowas auf Hunde bedrohlich wirken kann, gehe ich erstmal zurück, um die Stöcke wegzupacken. In einem Seitenweg fragt mich dann ein Spanier, was ich hier mache? Nach Santiago geht es da lang (und zeigt aus dem Dorf). Ich erkläre ihm kurz das mit dem großen Hund. Er kommt von seinem Hof, um mich am Hund vorbei aus dem Dorf zu begleiten.

Mit einem "Buen Camino" verabschiedet er sich von mir, und ich bin sicher an dem Riesen vorbeigekommen.


Schmerztablette, Bier und halbes Bocadillo wirken sehr gut! Ich renne förmlich den Weg hinunter. Die Aussicht ist mal wieder der Hammer! Der Weg ist toll - macht einfach nur Spaß heute.

Hier kommt mal eine Straße, da kommt mal ein Pilgerweg - immer im Wechsel. So komme ich nach knapp einer Stunde unten im Ort an und werde schon von Weitem mit einem lauten "HEY" begrüßt. An der nächsten Herberge steht der Italiener und winkt. Okay, den muss ich erstmal begrüßen. Als ich näher komme, sitzt dort auch Daniela und der Italiener kommt mit zwei kalten Bieren aus der Herberge. Wir können immer noch nicht richtig miteinander sprechen, aber das mit dem Bier ist einmalig. Daniela wollte dann doch noch einen Ort weiter und macht sich mit einem anderen Pilger auf den Weg zum Supermarkt, während ich mein Bier trinke und mit Händen und Füßen vom Weg erzähle.

3,5 Stunden für den Duro finden die Anwesenden sehr schnell - und dass ich mit Flip-Flops gelaufen bin, will keiner so recht glauben.

Ich brauche ganz dringend eine Dusche und verabschiede mich.

Auf dem Weg treffe ich auf eine Pilgerin, mit der ich vor drei Tagen zusammen in einer Herberge war. Als ich von William aus Dänemark erzähle, fragt sie: "Du meinst Willam mit Glatze und Bart...?" und sie kann es gar nicht glauben, denn sie kennt ihn auch. Die beiden waren wohl tagelang zusammen auf dem Weg und haben sich aus den Augen verloren.


Nach Badewanne und Wäsche waschen geht es mir ganz gut. Kurz in den Supermarkt. Die Reserven müssen aufgefüllt werden und dann zurück im Hotel noch ein Bier trinken, bevor es ins Bett geht.

Mit einmal bricht ein dünnes Mädel aus Australien zusammen, die offensichtlich sehr dehydriert ist - und anstelle von Rotwein eventuell mal lieber etwas Richtiges hätte essen und trinken sollen, wilde Aufregung bei allen Beteiligten in der Bar und jeder möchte Helfen.

Kaum steht sie und geht zwei Schritte, bricht sie wieder zusammen. Also wird sie nach draußen gelegt, bis sie sich wieder halbwegs berappelt hat.


Mit meinem Bier sitze ich auch draußen, sortiere die Fotos und genieße den Abend.

Dann schallt es durch den Ort "Kaarrrrsten". Joe kommt über die Brücke auf mich zu. Er hat wohl schon vom Hotel aus gerufen. Das habe ich wohl nicht gehört. Wir trinken noch zwei Bier zusammen und mit den Australiern, die Joe auch schon länger kennt, und einem etwas fülligen Amerikaner mit sehr langem Vollbart, führen wir die üblichen Pilgergespräche.

Okay, Hauptthema ist kurz "The blister in a blister in a blister"...


So jetzt aber gut - N8