23.04.2017 Zubiri-Pamplona



Strecke: 23,48
Schritte: 34.578 Da ist auch noch was nach dem Weg bei
Höhe: 440m 98 Stockwerke, geht nur auf und ab
Blasen: 0


Um 6 Uhr aufstehen und mal etwas früher auf den Weg gehen, um einfach mal der Sonne auszuweichen. Das Stück heute mit ca. 21 km ist ja echt nur ein Katzensprung und hat auch nur paar Meter Unterschied. Es geht ganz gemütlich bis Pamplona ca. 300 Höhenmeter hinunter. Na, mal schauen, wie das in der Realität dann ausschaut und was meine Knochen dazu sagen?
Unten im Frühstücksraum wuseln schon die 4 Japaner und sind lautstark am Reden und kochen sich Reis und ???. Keinen Plan, aber riecht nicht schlecht. Der Raum ist bis 6:20h fast voll und die ersten Stirnlampen werden an der Stirn befestigt, um sich im Dunkeln auf den Weg zu machen. Gespräche über wund gescheuerte Hüftknochen, Wadenkrämpfe, Muskelverspannung und auch das Aufkleben von Blasenpflastern direkt am Frühstückstisch scheint hier völlig normal zu sein. Ein bisschen schmerzfrei muss man hier am Tisch schon sein, oder wie Lara immer sagt: "Ach, da hatten wir schon viel schlimmere Themen am Tisch."
Das trockene Baguette muss ich mir rein zwingen, da ich mir sicher bin, die nächsten 7 km nichts anderes zu bekommen. Es ist Sonntag und die Geschäfte haben alle zu, also den warmen Kaffee austrinken und auf. 

Sonnenaufgang ist um 7:11h. Da wird es eh gleich hell, von daher schreibe ich kurz und mache mich um 6:40h auf den Weg - in der Hoffnung, gegen spätestens 11:30h in Pamplona anzukommen.

Buen Camino


Es ist arschkalt morgens in Spanien!


Der Weg ähnelt wirklich einem Katzensprung - die machen ja auch immer kleine Sprünge hoch und große Sprünge runter und genau das macht der Weg die ganze Zeit. Keine Chance, dass sich in irgendeiner Form ein normales Lauftempo einstellt. Ich finde heute überhaupt keinen Rhythmus. Nach 2,6 km kommt eine Wasserstelle mit Sitzmöglichkeit und einem traumhaften Ausblick auf das Tal, aus dem ich gerade gekommen bin. Die Sonne geht langsam über den Bergen auf und erhellt das Dorf in einem fantastischem Licht. Also ist Zeit für einen Kaffee und den Ausblick kurz genießen.

Weiter geht es und nach ca. 10 Minuten sehe ich Pilger relativ kurz vor mir, aber sehr weit unter mir, und frage mich, wie zum Geier sind die da runter gekommen?  Ah, da kommt sie schon - die steile Treppe,  die das möglich machen soll. Ich lache nur laut auf und sage dem Weg, dass er sich schon etwas anderes ausdenken muss, um mich klein zu bekommen und wenn ich 20 Minuten für die paar Stufen brauche - runter komme ich da doch. 

In engen Pfaden immer auf und ab geht es weiter, die Passagen runter sind die Hölle und ich fluche jetzt also schon um 8:10 Uhr. Na, das geht ja früh los heute.

Egal, dann muss es eben ohne Rhythmus gehen, Schritt für Schritt und bloß nicht aufgeben - obwohl der Weg sich heute wirklich alle Mühe gibt, um mich klein zu bekommen... Nee,nee, nicht mit mir!


Nach einem weiteren Anstieg kommt, wie nach jedem Anstieg auch, wieder ein Abstieg. Aber was ich da sehe, übertrifft alles, was ich vorher als Weg angeboten bekommen habe. Ich kämpfe für Sekunden mit den Tränen und denke mir "na toll, jetzt hat er mich doch!". Aber nein, nicht hier, nicht jetzt, nicht heute am dritten Tag und nicht mit mir! Runter hier, egal wie lange es dauern wird. Ich werde mal wieder von über 20 Pilgern überholt, aber die hole ich bergauf dann alle wieder ein :-)


Unten angekommen möchte ich am liebsten kurz wie zum Sieg die Arme hochreißen, aber ich spare mir meine Kräfte lieber.

Was dann passiert, ist unglaublich. Das Bestehen von dem Wegstück macht bei mir Kräfte frei und ich kapiere beim besten Willen nicht, wo die Energie mit einmal her kommt. 6,5 Km/h zeugt meine Uhr an beim bergauf oder geradeaus laufen, selbst bergab steht da noch 5,2 Km/h...  Wie geht das? Offensichtlich hat mir der Weg zeigen wollen, das es völlig egal ist, wie schwer oder schlimm eine Aufgabe ist. Es geht immer noch schlimmer und auch das schafft man, wenn man es nur will.

Nach ein paar Kilometern erreiche ich an einem Fluss eine kleine Bar und bestelle mir etwas zu essen und Espresso und schreibe mal gleich auf, was mir gerade so durch den Kopf geht. Der Rythmus ist wieder gefunden, dann kann es jetzt los gehen auf zur zweite Hälfte nach Pamplona.



Es läuft sich immer noch sehr gut und eigentlich ist alles Okay für die nächsten 5 km. Ich werde gerade wieder etwas träge, als ich an einer Brücke kurz Halt mache, um den Ausblick zu genießen und überlege kurz, da unten im Gras eine Pause zu machen. Ich beschließe aber,  dass es dafür noch zu früh ist. Als ich da so stehe, kommt ein junger Spanier, stellt sich neben mich und rotzt erstmal in den Fluss... Ich schaue wohl so entsetzt, dass er mir erstmal auf spanisch (mit ein paar Brocken Englisch) erklärt, dass es laut einem Buch, was er mal gelesen hat, Glück bringen soll, von einer Brücke zu Spucken. Naja, und wenn man es nicht probiert, wird man ja nie wissen, ob es stimmt. Wo er Recht hat, hat er Recht. Wir gehen ein paar Meter zusammen und sprechen in Spenglisch oder in Englanisch und kommen mit Händen und Füßen gut klar. Er lobt noch meine Aussprache - dass ich überhaupt nicht wie ein Ausländer klingen würde... Ich bekomme zwar keinen vernünftigen Satz zusammen, aber die Brocken, die ich spreche, klingen toll. Da ich noch gut voran komme und der Spanier mit seiner Gruppe mir zur Zeit zu langsam ist, ziehe ich das Tempo etwas an. Tja, und dann kommt ein Dorf mit Z... und es ist dank Raimund Joost und seinem Pilgerführer, den ich in der Kindel Version auf meinem Handy habe, ein erstmal einfacher Weg gefunden. Der Weg ist dort neu ausgeschildert und geht jetzt nach links runter zum Fluss (und ist länger), obwohl auch der alte Weg geradeaus noch ansatzweise zu erkennen ist und offensichtlich auch noch von einigen Pilgern benutzt wird. Ein kleines Holztor muss dazu einfach nur durchschritten werden, egal was die verwirrenden Wegweiser zeigen. Oder man macht es wie der zweite Tipp aus dem Buch: 15m hoch zur Landstraße und der einfach für paar 100 Meter nach links folgen und dann rüber zum Parkplatz,  den man schon von weitem sieht. Laut Buch ist danach auch eine extremer Anstieg zu erwarten. Ja, und den sieht man schon von weitem. Seit dem Dorf mit Z... laufe ich auch wieder mal vor und mal hinter Nobby, den ich in dem Dorf mit Z... wieder getroffen habe, ich weiß gar nicht wo er mich überholt hat, aber schön immer wieder auf vertraute Gesichter wie Nobby zu treffen. Beim kommenden Anstieg renne ich ihm fast weg, nur die Kräfte sind einfach nicht mehr da und der dann folgende Abstieg fordert alle inneren Schweinehunde, die im Keller wohnen. Ich werde immer wieder von den überholenden Pilgern angesprochen und bekomme in allen Sprachen Tipps (von rückwärts gehen bis zum Zick Zack) die mir helfen sollen, besser runter zu kommen. Die, die meine Sprache nicht können, machen es mir dann einfach vor... zu schön, nur leider hab ich die Varianten schon alle getestet und als noch schlechter bewertet. Nobby ist schon voraus gegangen und will unten auf mich warten.



Das Randgebiet von Pamplona ist bald erreicht und Nobby wartet auf der Brücke am Ortsanfang auf mich.


Wir holen uns gleich um die Ecke in einer Kirche einen Stempel und gehen ein paar Meter gemeinsam. Er möchte eine Pause machen und ein Bier trinken, ich befürchte aber, wenn ich erstmal sitze, gar nicht mehr in Gang zu kommen. Selbst beim Stempel holen oder bei den 2 Minuten auf dem Brückenrand sitzen, konnte ich mich nur mit Mühe wieder in Gang bringen. Also muss ich leider ohne Nobby und Bier alleine weiter trotten und komme nach 20 Metern an einem Langnese-Schild vorbei... Wie toll doch solche Kleinigkeiten, wie ein Eis am Stiel, werden können. Während ich wahrscheinlich zum ersten Mal seit ich denken kann, ein Eis wirklich genieße - und nicht nur auffuttere - treffe ich auf 2 Mädels an einer Ampel, die mich auf Englisch ansprechen. So gehen wir eine Zeit lang zusammen und unterhalten uns, bis die eine mich fragt, wo ich denn her komme. "From Germany!". Ja, dann können wir ja auch auf Deutsch weiter reden... zu schön! Wir hatten beide, wie wir uns gegenseitig bestätigten, absolut keinen deutschen Akzent. Die beiden wollen in Pamplona umbedingt in die Paderborner Herberge (wird von Deutschen aus ??? geleitet), da wollte bis jetzt jeder hin, der mir von den deutschen Pilgern heute begegnet ist. Okay, ich wusste bis eben zwar nicht wohin, aber Nobby und Bruder Sebastian werde ich da auch wieder treffen. Also gehen wir zusammen zu den Paderbornern.

Das Ortsschild von Pamplona ist nach 6 km Vorort auch endlich erreicht und wir beginnen die Suche nach der Herberge.



Irgendwann am Anfang von Pamplona soll eine Brücke kommen und dahinter gleich links 100 Meter direkt am Wasser, sollen die Paderborner sein. Ich hab die Namen leider nicht gehört oder behalten, ich sag mal die Dunkelhaarige und die mit Hut. Mit "Hut" habe ich mich gut unterhalten, sodass wir gar nicht darauf geachtet haben, wo wir genau hin müssen. "Dunkel" geht vorweg und wir trotten hinterher. An einer Ampel  - und da waren wir schon zu weit - kommen noch die Knieprobleme von "Dunkel"zu sprechen, da ich ja auch so Probleme habe. Auf der anderen Seite ist eine sehr beeindruckende alte Burganlage mit hohen Mauer und wir trotten weiter dem Pulk der Pilger und den gelben Pfeilen hinterher... Irgendwann sagt eine von beiden: "Wir sind doch hier falsch?!". "Dunkel" fragt, ob ich GPS habe und gibt mir die Adresse. So bekommen wir eine Richtung, die aber irgendwie trotzdem fasch aussieht (andere Straßenseite hinter den Bäumen...). Also wieder zurück, ich bin eh nur auf Autopilot und keine wirkliche Hilfe. Ich will nur ein Bett, ob das Paderborner heißt oder Hilton, ist mir in dem Augenblick völlig egal. Es werden alle Varianten besprochen: Links, rechts, nochmal zurück...! Von "Hut" war der Vater schonmal in der Herberge. Also will sie ihn anrufen, um nach Hilfe zu fragen. Da ich nicht mehr stehen kann und ein paar Meter weiter Bänke stehen, will ich mich wenigstens hinsetzen. Kaum sitze ich, kommt der spuckende Spanier vorbei und will wissen, warum ich da sitze - so kurz vor dem Ziel. "Los, steh auf und komm. Die paar Meter schaffen wir gemeinsam." Wie auf Autopilot gehe ich mit den drei Spaniern mit und die gehen auch noch extra für mich im Schneckentempo, um mich nicht zu verlieren. Da die Mädels sich nicht umdrehen, haben sie wohl erst später gemerkt, dass ich weg bin. Es geht immer den Pfeilen nach und somit muss ich das morgen nicht mehr laufen und nebenbei bekomme ich eine Führung durch Pamplona von Spaniern. Die Herberge, in die sie wollen, befindet sich links eine Steigung hinauf. Die  Pfeile gehen nach rechts und da ich nicht gleich mit einem Abstieg beginnen möchte, verabschiede ich mich und gehe weiter den Pfeilen nach. 

Egal was kommt, aber das nächste Bett ist meins. DIe ganze Stadt voll von Bars mit Menschenmassen, die den sonnigen Tag genießen. Nur keine Herberge mehr in Sicht. In der Innenstadt selber scheint es nicht soviel zu geben! Bis wer weiß wie weit raus will ich auch nicht mehr laufen, da ich mir noch Essen und Trinken besorgen möchte und froh bin, dass in der Stadt doch auch am Sonntag noch einzele Geschäfte geöffnet haben. Also Google "Hotel Pamplona" - Preis Okay - 250 Meter! Das schaffe ich noch. Zimmer mit großer Badewanne, Bocadillo, Bananen, Bier. Ist zwar immer noch nicht das "Normale" Schlafen wie ein Pilger, aber heute geht das eben nicht anders und das heiße Bad ist das Beste, was mir passieren konnte.

 


Nobby meldet sich und wir treffen uns auf ein Bier auf der Plaza gleich um die Ecke. Anschließend gehe ich noch ein paar Meter zur Stierkampfarena (was ein hässlicher Betonklotz), um noch paar Fotos zu machen. Das war der Plan, aber doch bitte nicht von dem Betonkasten! Auf Maps sah der aus wie das Colosseum in Rom - so von oben in der Draufsicht.

Okay, dann zurück und ausruhen, damit die 29 km bis Puente del la Rain mit einigen "Aufs und Abs" morgen überhaupt zu schaffen sind.


Der heutige Tag hat mir deutlich gezeigt, dass es keinen Sinn macht, mit Gewalt ankommen zu wollen (hatte nur eine Pause und den Rucksack nur einmal abgesetzt)! Also morgen viel mehr Pausen machen Möglichkeiten waren mehr als genug da und einfach mal mehr auf den Körper hören!


N8