03.05.2017 Hontanas - Itero de la Vega



Schritte: 27.653
Strecke: 22,9 Km
Höhe: 227m 20 Stock
Zeit: 6:31
Blasen: 0

13. Etappe - die 13 war immer meine Glückszahl und ich fühle mich heute wirklich gut.
Das Wetter ist ein Traum. Keine Wolke! Okay, kurz vor 8 Uhr noch etwas frisch, aber es wird sicher sehr warm und keinen Schatten geben.


6 km sind es bis zu den Ruinen vom Kloster San Anton aus dem 12. Jarhundert. Dort möchte ich mein Frühstück machen und hatte mir in der Herberge für den Weg zwei Bananen und ein Croissant gekauft. Kurz hinter Hontanas überholt mich der Franzose von gestern Abend. Ich spreche ihn an, weil er ohne Rucksack unterwegs ist und es mich einfach interessiert, was so ein Transport denn kostet. 5 Euro bis Castrojeriz. Das sind nur 9 km und weiter möchte er heute auch nicht gehen. Er geht den Weg jetzt seit seiner Rente jedes Jahr und dieses Mal ist sein zehnter Camino.

Er erzählt viel über seine Zeit in Holland, wo er auch die Sprache gelernt hat. Deshalb hat er auch keinen französischen Akzent, sondern spricht als Franzose deutsch wie ein Holländer.

Begleitung am frühen Morgen kann auch mal ganz schön sein.



Wir erreichen recht zügig die Ruinen vom Kloster und ohne Juan hätte ich sicher nur ein paar Fotos von außen gemacht. Ich wäre dann nach einer kleinen Pause weiter gegangen.

Er meinte gleich: "Komm, lasch unsch rein gehen. Da kanscht du doll guggen!".

Und wie recht er hatte! Inmitten der Ruine leiten zwei Hospitaliera eine kleine Herberge mit 12 Betten. Sie begrüßen uns herzlich und laden uns ein, dort zu bleiben!  Was wir leider ablehnen müssen, da wir beide ja noch ein paar Kilometer vor uns haben.



Juan lässt sich die ganze Geschichte von dem magischen Ort erzählen. Ich suche mir einen ruhigen Platz für mein Frühstück und genieße die Ruhe und Atmosphäre von San Anton. Es fühlt sich an, als wenn hier die Energie nur so frei in Massen strömen würde. Hier fühle ich den Spirit vom Camino wieder! Die Hospitaliera erzählt, dass früher zu diesem Ort die Leute gekommen sind, um geheilt zu werden. Man sagt, hier wäre heilende Energie. Und ich fühle die Energie von diesem Ort. Leprakranke wurden durch zwei Klappen in der Wand mit Essen versorgt. Man kann sich in Gedanken wirklich zurück versetzen und sich sehr gut vorstellen, wie es hier vor 600-800 Jahren gewesen sein muss.

Dagegen war dann der Fußboden im letzten Bad doch sehr sauber...

 


Nach circa einer weiteren Stunde kommen wir in Castrojeriz an. Juan ärgert sich ein wenig, sein Gepäck hier her geschickt zu haben. Jetzt wäre er gerne noch weiter gelaufen. Aber sein Gepäck kommt erst um 13:00 Uhr, und wir haben es erst 11:00 Uhr.

Wir trinken noch einen Kaffee zusammen und er fragt mich:"Weischd du noch, die beiden Amerikaner geschtern? Die fahre jede Tag mit die Taxi bis 1 Kilometer vor ihr Ziel und wenn keiner in Sicht ist, dann steige die aus un gehe den Rest und mache so als wenn sie ganz aus de Puste sin!". "Voll die Verarsche iss das!" Es gibt wirklich alles und jeden auf diesem Weg! Wir verabschieden uns herzlich und wünschen uns einen Buen Camino.


Weiter geht es aus dem sehr lang gezogenem Ort. Am Ende ist ein Brunnen und von dort kann ich vor mir schon einen Tafelberg sehen, der mir heute aber keine Angst machen kann.

Ich telefoniere auf der Geraden zum Berg noch mit 'meinem Hasen' und freue mich, ihre Stimme zu hören. 

Beim Start zum Anstieg brauche ich beide Hände frei für meine Stöcke - also müssen wir leider auflegen.


Ich kann mich an den Berg erinnern, als ich das Schild am Anfang sehe... in einigen Berichten in Fernsehen und YouTube wurde der Abschnitt schon gezeigt.

Der steilste Anstieg, wie es in einem Bericht hieß! Und wo es hoch geht, geht es ja auch runter! 

Also ist die Folge Heute  "der steilste Abstieg vom Camino-Frances!!!" Na mal schauen...



Da überholen mich auf dem Anstieg doch allen ernstes zwei auf dem Fahrrad...???

Was solls! Mein Knie macht gut mit, und ich bin die 1050 Meter Strecke erschreckend schnell oben. Der Ausblick zurück, wieder mal auf alles, was man heute so gelaufen ist, war jeden Schritt wert. Ein kleiner Überstand, der Schutz bei Regen geben soll, hilft natürlich auch sehr gut bei Sonne. So setze ich mich endlich mal in den Schatten und treffe dort auf den Opa aus Rabe. "Wahnsinns-Anstieg!"- "Oh ja, und mir tun die Füße weh! Ach, du bist doch DAS KNIE! Wie geht es denn?". "Heute geht es richtig gut! Bis jetzt nichts Erwähnenswertes!".

Er hat Sonnencreme LF50+ dabei. Ich frage, ob ich mich bedienen darf. "Klar, selbstverständlich!" Bei weiteren 7 Kilometern in der Mittagssonne komme ich mit meiner 20er nicht weit.


Er macht sich auf den Weg, möchte noch bis Boadilla... Das sind noch 18 km. "Ja, mal schauen, ob ich das schaffe!" Respekt!



Ich muss raus aus den Schuhen. Kurze Hose an und Flip-Flops! Ich verstaue alles im Rucksack, was ich jetzt nicht mehr brauche. Mutter und Tochter aus Deutschland (waren gestern auch bei der Ticket-Kontrolle) bezweifeln, dass ich mit Flip-Flops den Weg gehen könnte.

Ich versichere, dass das schon klappen wird. Und wenn nicht, ziehe ich die Botten eben wieder an. 

Die beiden sind zum zweiten Mal auf dem Weg und konnten im letzten Jahr den Camino wegen Knie nicht beenden... Sachen gibts!

Tja, auch jetzt laufen sie von einer Farmacia zur nächsten und versuchen, so gut es geht, weiter zu kommen. Die Tochter hat auch in diesem Jahr schon an beiden Knien wieder eine Bandage. Sie kommt aber besser voran als im letzten Jahr.


Der Abstieg ist mit 18% echt heftig und ich ÜBERHOLE zwei Italiener. Unglaublich, ich bin wirklich nach sieben Tagen im Jammertal zurück auf dem Camino. Einen Tag noch kurz vor dem Abbruch und am nächsten Tag dann sowas... ist ja auch der 13.!

Nach dem Abstieg geht es 7 Kilometer auf Flip-Flops durch die Mesata. Und es geht sehr gut! Itero de la Vega ist mein Ziel und kurz vor dem Ort, nach einer Brücke, parkt da ein roter Audi Cabrio mit Frankfurter Kennzeichen. Ich begrüße die Frau im Auto mit "Moin, Moin!" und sie erzählt mir davon, dass ihr Mann immer mal den Camino gehen wollte, aber nicht dazu kam. Jetzt geht er, so gut es eben geht. Sie ist das Begeiltfahrzeug und hat immer alles dabei. Über die Pyrenäen ist er auch gelaufen. Da hatte sie das meiste Abenteuer! Solche Wege ist sie vorher wohl noch nie gefahren.

Nette Geschichte am Wegesrand sozusagen und Buen Camion.

Weiter jetzt! Endspurt! Noch ein paar Meter und dann soll es heute die Herberge "La Mochilla" sein. Gruppenraum mit acht Betten und drei sind noch frei. 6 Euro die Nacht und 9 Euro das Menü und ich kann mir aus ein paar Speisen etwas aussuchen.



Angekommen! Wie geil! Erstmal ein großes kaltes Bier! Runter kommen und dann lansam sortieren, duschen, schreiben...


Später gibt es dann 

Primer plato - Arroz a la Cubana

Segundo plato - Pescado en Salsa Verde

Postre - Helado


Und morgen dann weiter bis nach ???

Das entscheide ich später - oder morgen!


Von dem stehpinkelnden Franzosen mit seinem Rotwein und roter Gummelnase, der ständig den Deckel im Klo vollgesaut hat, mit seinem flegelhaften Benehmen, möchte ich gar nicht mehr schreiben. Dank Juan habe ich endlich mal einen Franzosen kennengelernt der meine Meinung etwas korrigieren konnte und da kann auch der Betrunkene Typ nichts mehr dran ändern.


Da stehe ich mit meinem Bier vor der Tür in der Sonne - und wer kommt vorbei und sieht aus wie das blühende Leben? Kein Staub!? Wie frisch geföhnt!? Das Pärchen aus USA. War bestimmt wieder richtig anstrengend, das Taxi. Und dann erst der eine Kilometer! Schnell noch irgendwo beim Pilgermenü mit essen, um ein paar Geschichten aufzuschnappen, damit man zuhause auch etwas erzählen kann. Muss ja jeder selber wissen!

Okay, wir reden kurz. Sie fragen nach meinem Knie. Als ich sage: "Alles Okay!", wollen sie mir nicht glauben und lachen erst einmal (the germans are so funny guys). Ich muss es dreimal wiederholen, bis er entsetzt schaut und fragt: "Really?" - "Yes, it's okay. The hill was okay, the way was okay. All fine!"


Sie stammelt: "Oh, äh, yes, oh, äh, the hill was very high!". Tja, schon schlecht, wenn man ihn offensichtlich gar nicht selber gesehen hat...